Keine 15 Autominuten braucht der Puckl Franz von seinem Haus bis zu seiner Arbeitsstätte. Die Saalach kennt er wie kaum einen zweiten Fluss. Für viele Paddler ist der Fluss mitsamt seinen Nebenflüssen ein Urlaubstraum, sportliche Herausforderung oder auch nur eine aufgeschnappte Episode am Lagerfeuer. Für den Puckl Franz ist er zweite Heimat, hier kennt er jeden Stein und jedes Kehrwasser beim Vornamen.
Wenn die Kirchenglocken im schönen St. Johann am Fuße des Kaisergebirges achtmal läuten, ist es für Franz Puckl höchste Zeit, zur Arbeit aufzubrechen. Sein Arbeitsplatz, zumindest an vielen Tagen im Jahr, ist die Saalach bei Lofer. Das Arbeitsgerät vom »Puckl Franz«, wie er von seinen Landsleuten in alpenländischer Tradition genannt wird, ist sein Kajak. Denn der Franz ist Inhaber der Kanuschule Kitzalp, Kajaklehrer und Tiroler Original in Personalunion.
Keine 15 Autominuten braucht der Puckl Franz von seinem Haus bis zu seiner Arbeitsstätte. Die Saalach kennt er wie kaum einen zweiten Fluss. Für viele Paddler ist der Fluss mitsamt seinen Nebenflüssen ein Urlaubstraum, sportliche Herausforderung oder auch nur eine aufgeschnappte Episode am Lagerfeuer. Für den Puckl Franz ist er zweite Heimat, hier kennt er jeden Stein und jedes Kehrwasser beim Vornamen.
Dass der Puckl Franz überhaupt zum Kajakfahren kam, ist trotz des beachtlichen Wildwasserangebots seiner Heimat blanker Zufall. Als waschechter Tiroler war der Puckl Franz in jungen Jahren natürlich Wintersportler und selbstredend ein wilder Hund. Obschon er Biathlonberufssportler war, hielt ihn das nicht davon ab, sich auch von Skisprungschanzen hinunterzustürzen. Seine Experimente bezahlte er mit einem gebrochenen Oberschenkel. Sport war in der Reha-Phase nur noch im Sitzen möglich. Also wurde der Franz Kajakfahrer.
Gleich im ersten Jahr machte er eine Ausbildung zum Kajaklehrer und nahm am Dolomitenmann teil. Auch lernte er die Saalach kennen. Es war seine dritte Wildwasserfahrt. Und wie es sich für einen Puckl gehört, war es kein vorsichtiges Date mit gegenseitigem Abtasten – nein, es sollte ein ungestümes Rendezvous zweier leidenschaftlicher Partner werden.
Franz wollte sich zu seiner ersten Saalachfahrt mit Kitzbüheler Paddelfreunden an der Brücke in Au unterhalb der Teufelsschlucht treffen. Als seine Freunde nach langem Warten nicht eintrafen, beschloss Franz, einfach alleine zu starten. Was er nicht wusste: Er wartete an der falschen Brücke, oberhalb von Lofer. Erst kämpfte er sich mit seinem T-Slalom durch die Slalomstrecke, dann unter dem Teufelssteg hindurch direkt hinein in die berüchtigte Teufelsschlucht bis kurz vor die Dreier-Kombi. Erst dort wurde er von der Saalach unsanft ausgeleert. Weil er ein ausgebildeter und erfahrener Rettungstaucher der Österreichischen Wasserwacht war, schaffte er es unbeschadet zurück ans Ufer. »Der Schutzengel, der mir damals geholfen hat, beschützt mich seitdem immer noch«, glaubt Franz.
In den 21 Paddeljahren, die bis heute folgten, ist ihm Gott sei Dank nichts Schlimmes passiert. Aber sein Verhältnis zur Saalach ist ein Besonderes geblieben – unter dem gelegentlich seine engsten Vertrauten leiden mussten. Bisweilen legte er sich am Raftzentrum kurz oberhalb von Lofer zehn Kajaks zurecht, von der Rodeosemmel bis hin zum Creeker. Und dann legte er los! Die Slalomstrecke runter, durch die Teufelsschlucht bis zur Brücke in Au, alles in knapp 20 Minuten. Seine Freundin fuhr den Shuttle. Am Einstieg das nächste Boot und wieder runter. »Ich bin immer wieder eini ins Boot, mein Rekord waren 30 Fahrten an einem Tag«, erinnert sich Franz amüsiert. »Meine Freundin Sabine ist fast narrisch geworden!«
Seit Jahrzehnten sind die Flüsse rund um Lofer für viele Wildwasserpaddler das Sprungbrett für eine große Alpin-Karriere. Nirgends sonst kann man sich so kontinuierlich steigern wie auf Saalach und Nebenbächen. Localhero Franz Puckl verrät, wie und wo man die Dosis am besten erhöht.
Wenn die Skitouristen im Frühjahr Lofer verlassen haben, gehört der kleine Ort im Bundesland Salzburg ganz den Paddlern. Der große Parkplatz im Zentrum Lofers ist Meeting-Point, Kontaktbörse, Ein- und Ausstieg, aber auch ein Ort der Ruhe und Erholung. Generationen von Paddlern haben sich hier bereits verabredet und auch für Franz Puckl ist der große Parkplatz Anlaufstation für seine Kanukurse. Bevor die Arbeit beginnt, nimmt er den Wasserstand an der Slalomstrecke in Augenschein. Danach folgt das Treffen mit den Kursteilnehmern und eine kurze Tagesbesprechung. Kajakkurse in Lofer stehen das ganze Jahr auf der Agenda der Kanuschule Kitzalp. Zu Beginn jedes Paddeljahres, eine Woche nach Ostern, lädt Franz Puckl stets zum »Austrian Saisonopening« nach Lofer. Dann stehen 30 bis 50 Kajaks kostenlos zum Testen bereit und Puckls Freunde, Kanuschüler und anderweitig Interessierte kommen zum Schnacken, Feiern, Paddeln und um kollektiv den Winterschlaf zu beenden.
Wenn die Kitzalp-Kanuschüler ihre ersten Paddelerfahrungen auf dem Pillersee gemacht haben, dürfen sie in der Schlucht von St. Martin oberhalb von Lofer zu einem intensiven Techniktraining ins Wildwasser. »Ein perfektes Übungsrevier«, meint der Kanuschulchef. Wegen einer Wasserableitung ist der Abschnitt zunächst technisch und verblockt, ab dem Wasserzufluss wird die Saalach geradezu wuchtig. Das ist wie zwei Flüsse in einem: Unerfahrene Paddler bekommen in kürzester Zeit die reichhaltigen Facetten des Wildwassersports zu spüren. »Und Lofer«, so schwärmt Puckl weiter, »bietet noch so viel mehr.« Zum Beispiel ein fantastisches Panorama. »Die Leoganger und Loferer Steinberge formieren sich zu grandiosen Steilwänden, die allerorten postkartentaugliche Hintergrundmotive abgeben.«
Und dann wäre da noch das vielfältige und praktisch ganzjährige Paddelangebot. Der idyllische Pillersee, Ursprung des Loferbachs, ist keine 10 Kilometer entfernt. Die oberste Saalach ab Hinterglemm ist leichtes bis mittelschweres, aber durchaus spritziges Wildwasser. Die untere Saalach ab Au lockt mit wuchtigen Schwällen, tollen Kehrwassern und überraschend einsamen Abschnitten. Da wäre die kurze und knackige Teufelsschlucht, für Unerfahrene ein Spektakel zum Fürchten und Staunen, für Experten ein Schmankerl ohnegleichen. »Und vergessen wir nicht die spritzigen Nebenbäche Lofer-, Unken - und Weißbach, deren technische Wildwasserschwierigkeiten und klare Wasserführung in einnehmendem Kontrast zu dem trüb-wuchtigen Wasser der Saalach stehen. Und wer eine kurze Autofahrt nicht scheut, steht in 30 Minuten am Einstieg zur Entenlochklamm.«
Kurz nach der Mündung des Loferbachs nimmt die Saalach mächtig Fahrt auf. Der Hubertussteg überspannt die Saalach und wenige Paddelschläge später folgt mit der Hubertuswalze der Auftakt zum sportlichen Höhepunkt der Saalach.
Slalomstrecke und Teufelsschlucht sind das pulsierende Herzstück des famosen Wildflusses. Für Franz Puckls Kanu-Eleven ist an der Hubertuswalze Zeit für eine Paddelpause. Wildwasserschwimmen, Bergeübungen und Jause stehen auf dem Programm. Zeit zum Entspannen vor dem großen Finale. Vielleicht spüren die Kanuneulinge, dass sie sich an einem besonderen Ort befinden. Eine Art Energiezentrum und Kultstätte längst vergangener Zeiten. Früher fanden auf der anspruchsvollen Naturslalomstrecke Weltmeisterschaften und Weltcups statt, heute werden solche Rennen lieber auf klinischen Betonkanälen ausgetragen. Und seit mehrere Hochwasser die Hubertuswalze von einem perfekten Freestyle-Spot zu einer gewöhnlichen Wellenwalze degradierten, ist es aus mit dem legendären Lofer-Rodeo, das einst Hunderte Teilnehmer aus der ganzen Welt anlockte und dessen hemmungslose Partys als »Woodstock des Kanusports« galten. Was bleibt, sind 400 Meter feinstes Wildwasser zum Trainieren, Lernen und Austoben. An der Zielkurve ist für die meisten Kanuschüler Schluss, je nach Können geht es noch bis zum Teufelssteg hinunter.
Die anschließende Teufelsschlucht bleibt – abgesehen von zwei jährlichen Führungsfahrten im zeitigen Frühjahr und im Spätsommer – auch für den Puckl Franz nur Privatvergnügen. Dreier-Kombi, das S, die Pyramide und der Lieferanteneingang sind rassige Wildwasserpassagen, die aber mit Risiken behaftet sind. Die wild zusammengewürfelten Blöcke der Loferschlucht beherbergen eine Vielzahl an Siphonen und Franz kennt sie fast alle. »Ich hab schon viele Paddler in den Siphonen verschwinden sehen. Wenn du a bissl schläfst, dann pickt’s di um...« Zum Glück sind alle bedauernswerten Paddler hinten wieder aufgetaucht. Die Saalach hat über 50 Kilometer höchst interessante Wildwasserabschnitte im mittleren Schwierigkeitsgrad, aber die 3000 Meter Teufelsschlucht stellen alles in den Schatten. Wer die Teufelsschlucht ganz ohne Stress kennenlernen möchte, dem sei dringend der wunderschöne ehemalige Triftsteig durch die Schlucht empfohlen.
Langweilig wird es dem Puckl Franz auf der Saalach so schnell nicht. Jahr für Jahr ändert sie sich nach den Frühjahrshochwassern ein wenig und im Zuge der Jahreszeiten präsentiert sich die Saalach stets unterschiedlich. Im Winter und zeitigen Frühjahr ist sie eng und technisch. Zur Schneeschmelze im Frühsommer mächtig, trüb und wuchtig. Die schönste Zeit ist für Franz der Herbst, wenn das türkisgrüne Wasser dem der Soca fast ebenbürtig ist. Aber selbst im Winter steigt der Puckl Franz regelmäßig ins Boot. Nicht immer eine gute Idee. An eine Winterbefahrung erinnert er sich noch zu genau. Am Vortag hatte es über einen Meter Neuschnee gegeben, die Temperaturen lagen bei minus zehn Grad. Die Kehrwasser waren zugefroren und an der ersten WW-Passage merkte er, dass Eisbrücken den Weg versperrten. Also schlug er sein Paddel in den tiefen Schnee, kletterte aus dem Boot, wühlte sich die meterhohe Schneewand am Ufer hinauf, zog das Boot hinterher und stieg nach der Schneebrücke wieder ein. Vor jeder Stufe in der Teufelsschlucht wiederholte sich das Spiel. Für die Strecke, die er unter normalen Bedingungen in 30 Minuten paddelte, brauchte er knapp drei Stunden. Gefroren hat er trotz Eiseskälte nicht.
Nach der Brücke bei Au ändert die Saalach ihren Charakter. Sie hat sich in der Teufelsschlucht ausgetobt und verwandelt sich in Genusswildwasser im zweiten und dritten Grad. Große Kehrwasser, scharf angespülte Felsen und pulsierende Presswasser sind die kleinen Herausforderungen der Standardstrecke »Au bis Unken«. Nach Unken wird die Saalach noch leichter, nimmt Abstand von der Hauptstraße und fließt durch ein bemerkenswert unzugängliches Tal bis zur Weißbachmündung auf deutschem Boden.
Nach vier, fünf Stunden Kajaktraining ist für die Kanuschüler Schluss, aber für Franz Puckl noch lange nicht Feierabend. Im Café Dankl folgen Nachbesprechung und Videoanalyse auf dem Großbildfernseher. »Und an guadn Kuchn gibt's a!« weiß der Puckl Franz. Erst wenn die Kirchtürme in Lofer den Abend einläuten, hat auch Kanulehrer Puckl Feierabend – und in einer Viertelstunde ist er zurück in seinem Haus in St. Johann.